Artikel aus tiergestützte Ausgabe 2-2015
Dominanzbasierte Erziehungsmethoden in der Tiergestützten Arbeit mit Hunden
von Bibi Degn
Machtstreben in der Hundeerziehung
„Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie die Tiere behandelt.“
– Mahatma Gandhi, Rechtsanwalt und Pazifist
Gewalt, egal ob psychisch oder physisch, ist in unserer Gesellschaft nicht mehr geschätzt. Es gab eine Zeit in der – belastet durch Kriegserlebnisse, Erfahrungen von Gefangenschaft, Vertreibung und Schuld – vertreten wurde, dass körperliche Gewalt, zum Beispiel für Heranwachsende, gut sei. Davon sind wir in unserer Kultur abgekommen, sowohl in unseren ethischen Bestrebungen, als auch in Bezug auf unsere Kenntnisse zur Sinnhaftigkeit: Auskunft geben Untersuchungen über die schädlichen Auswirkungen für den von Gewalt betroffenen Einzelnen.
Doch ist Übergriffigkeit gegen Tiere etwas Anderes? Soll eine gewaltsame, machtbasierte Vorgehensweise in der Ausbildung für Tiere schön geredet werden?
Gegenüber Kindern, versklavten Mitmenschen, Menschen anderer Herkunft und Frauen lehnen wir das Ausleben von Machtstrukturen zum Glück ab, doch befürworten wir genau das im Tiertraining nun in Bezug auf die Opfergruppe Tier, indem wir uns auf ein Recht als Rudelführer beziehen? Und das einfach, weil wir es können? Oder weil uns nichts Anderes einfällt? Die Ethologie sagt längst, dass ein auf lineare Hierarchien basierendes Dominanzkonstrukt für eine soziale Gruppe von Menschen und Hunden, wie in der Vergangenheit oft dargestellt, die tatsächliche Situation nicht abbildet.
Ich möchte jegliche Rechtfertigung von Gewalt, in welcher Ausprägung auch immer, in theoretischen Überlegungen zum Einsatz von Tieren zum Wohle des Menschen zur Diskussion stellen.
Wo Weisheit endet beginnt Gewalt
Traumatische Erfahrungen bringen Menschen an ihre Grenzen. Wenn die Psyche sich nicht mehr anders zu helfen weiß, greifen wir Menschen immer noch allzu leicht zu Gewalt. Notlagen können situationsbezogen gewaltsames Verhalten Einzelner verstehbar machen, sie rechtfertigen jedoch niemals generell die Anwendung von Unterdrückung, psychischer oder körperlicher Gewalt.
Unterdrückung als Merkmal der dominanzorientierten Ausbildungsmethode
Hundetrainer, die Gewalt als probates Mittel der Interaktion zwischen Mensch und Tier propagieren – manchmal verdeckt, manchmal klar und offen – gibt es viele, in der Literatur, im echten Leben, auch in den Medien. Sie werden anerkannt und sind mitunter sogar als Ausbilder tätig. Denn es gibt immer noch die Hundehalter/innen, die diese Vorgehensweise durch Bezahlung und Gefolgschaft unterstützen.
Eine bestürzende Tatsache, wenn wir uns vor Augen führen, dass wir in einem Zeitalter leben, in dem sich die Werte deutlich gegen Gewalt, Unterdrückung und Ausleben von Machtpositionen ausrichten – und Menschen Tiere aus Liebe halten. Ein Zeitalter, in dem wissenschaftlich fundierte Ergebnisse aus der Verhaltenspsychologie und –biologie zur Verfügung stehen, die eine Vielfalt von Sozialvariablen und nicht eine „Hackordnung“ im Zusammenleben der Hunde beschreiben (wie auch der Pferde übrigens, bei denen mir diese Methoden-Kritik mindestens ebenso angemessen erscheint).
Dominanztheorien
Manche Erziehungsphilosophie basiert auf dem Mythos einer natürlichen „Dominanz“, die so etwas wie eine angeborene Charaktereigenschaft wäre. Außerdem geht man davon aus, dass es eine hierarchische Ordnung in einer Gruppe von Individuen (Rudel, Herde) gibt, die für alle Lebensbereiche greift. Diese Theorie beruht auf längst überholten wissenschaftlichen Untersuchungen und Beobachtungen z.B. an Hühnern und Gehegewölfen. Beobachtungen in diesen sehr speziellen Situationen wurden übertragen auf die Beziehung zwischen Mensch und Hund. Ebenso könnte man Untersuchungen an Schimpansen in Gefangenschaft mit dem Sozialverhalten zwischen dem heutigen „Homo Sapiens“ und seinen Hunden vergleichen- es wäre ein ähnlich weit hergeholtes Vorgehen. Das Sozialverhalten von Hunden ist komplexer, das Beziehungsgefüge Mensch-Hund wesentlich vielschichtiger.
Trotzdem: Es gibt etwas wie die Kontrolle von Ressourcen, die nach einem Gesetz der Stärke abzulaufen scheint. Hunde verteilen die Ressourcen nicht nach Prinzipien der Gerechtigkeit oder einer demokratischen Entscheidung, sondern mitunter greift einer durch und nimmt sich, was er bekommen kann. Ressourcen kontrolliert, wer dafür seine Energie einsetzt und die nötige Energie aufzubringen in der Lage ist. Was aber nicht stimmt ist, dass die Kontrolle von Ressourcen mit der führenden Rolle in der Gemeinschaft gleichzusetzen ist. Ressourcen kontrollierende Tiere nehmen nicht notwendigerweise eine führende Rolle im Rudel ein, sie kontrollieren lediglich die Ressourcen. Grund dafür kann ein großes Bedürfnis sein, zum Beispiel nach Futter, oder auch große Unsicherheit, beispielsweise in Bezug auf Artgenossen, was kontrollierendes Verhalten bewirkt. Die führende Rolle im Rudel kann in der gleichen Gruppe (u.U. situativ wechselnd) ein bezüglich der Ressourcen ‚bescheidenes‘, aber anderweitig sehr erfahrenes, entscheidungsfreudiges und souveränes Tier innehaben.
Dennoch hält sich ein Mythos, dass Hunde aufgrund einer nach Dominanz strebenden Grundeinstellung ihr Verhalten gegenüber Artgenossen und/oder Menschen einsetzen wie ein angeborenes Streben nach der Weltherrschaft. Und an diesem Punkt nimmt der Mensch das Verhalten des Tieres persönlich. Sagt man uns, unser Hund „nähme uns nicht für voll“, wenn er dieses oder jenes Verhalten zeigt, so kommt sofort ein Gefühl von Widerstand hoch: Wir unterstellen dem Hund, er würde uns bewerten – genau das, was wir in der tiergestützten Arbeit immer betonen, was Tiere nicht tun.
Ursachen für dominantes Verhalten
Unsicherheit: „Dominant“ wirkt ein Tier (oder ein Mensch) auf uns, wenn es verstärktes Kontrollbedürfnis zeigt und das tun wir, Menschen wie Tiere, wenn wir verunsichert sind. Denken Sie nur an Ihr Kontrollbedürfnis als Beifahrer/in, wenn der/die Fahrende schlecht fährt. Sie werden vermutlich sehr dominant. So zeigen Hunde auch „dominantes Verhalten“ wenn sie unsicher sind, was nach einem Widerspruch in sich klingt.
Körperliche Gebrechen: Es passiert leicht, dass übersehen wird, dass die Ursache von unerwünschtem Verhalten ein körperliches Gebrechen sein könnte. Stattdessen wird auf ein dubioses „Dominanzverhalten“ verwiesen. Das Verhalten wird als gegen den Anderen gerichtet interpretiert.
Viele Hunde, die unerwünschte Verhaltensweisen zeigen, leiden an schmerzhaften Erkrankungen z. B. des Bewegungsapparats. Schmerzen machen sowohl Menschen als auch Tiere leichter reizbar und können die Wahrscheinlichkeit für Verhaltensprobleme deutlich erhöhen. Für eine Abklärung ist oft die Zusammenarbeit des Haustierarztes mit tierärztlichen Verhaltenstherapeuten zu empfehlen. Eine Liste entsprechend weitergebildeter Tierärzte findet man unter www.gtvmt.de. Werden körperliche Erkrankungen festgestellt, müssen zunächst diese behandelt werden.
Stress und Überforderung sind weitere Ursachen für „dominantes“ Verhalten.
Dominantes Verhalten ist die Ursache allen Übels, möchte man glauben bei der Lektüre mancher Autor/innen und bei Betrachtung mancher Medien-Hundeflüsterer. Die geforderte „dominante“ Rolle gegenüber seinem Tier innezuhaben, bringt jedoch nicht mit sich, dass dieses deshalb verstanden hat, was von ihm erwartet wird. Ich kann Führungsqualitäten bis in meine tiefsten Körperzellen haben, wenn mein Hund Leinenführigkeit nicht erklärt bekommen hat, wird er nicht erfüllen können, was sein Mensch von ihm erwartet. Er wird bestenfalls die negativen Konsequenzen vermeiden, z.B. aus Angst hinter dem Menschen bleiben, oder die positiven Konsequenzen durch dieses Verhalten erwarten – aber „Dominanz“ ist kein Trainingsprogramm.
Der Hund in der tiergestützten Intervention
In der tiergestützten Arbeit hat die Legitimierung von strafenden Maßnahmen und eine Ausrichtung auf Unterdrückung von Tieren nochmals eine andere Bedeutsamkeit, da wir damit den Klienten und Klientinnen unserer Interventionen eine grundlegende Haltung gegenüber anderen Lebewesen vorleben. In dieser Erfahrungswelt wird nicht unterschieden zwischen Mensch und Tier, sondern hier wird sich identifiziert mit diesem Gegenüber, sei es der Hund, das Pferd oder eine andere Tierart.
Als therapeutisch und/oder pädagogisch wirkende Erwachsene unserer Zeit streben wir auf der Basis eines humanistischen Weltbildes nach Menschlichkeit. Das bedeutet, dass wir im Gegenüber weniger die Schutzmechanismen, mehr den Wesenskern erreichen wollen. Genau das ist eines der Geschenke der tiergestützten Interventionen.
Vermitteln wir dominanzorientierte methodische Zugänge, so muss uns klar sein: wir arbeiten im Bereich der Schutzpanzer , dort wo sich das Herz gegen Nähe schützt und lieber auf Wirkmechanismen von Machtspielen zurückgreift. Die Macht des Stärkeren – das ist nicht, was wir vermitteln wollen. Sich öffnen für das Gegenüber, das Wesen des Tieres erkennen – darum soll es gehen. Wir wollen Vertrauen in sozialen Beziehungen möglich machen. „Eine positive Wirkung eines Tieres ergibt sich nur dann, wenn eine dauerhafte, intensive, positive und partnerschaftliche Beziehung zwischen (Säuge-)Tier und Bezugsperson vorliegt und für Klient/innen erfahrbar wird.“ (Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung in der Praxis tiergestützter Interventionen. Ein Leitfaden von Dr. Rainer Wohlfahrt und Prof. (em.) Dr. Erhard Olbrich. Wien, Zürich 2014). Eine positive partnerschaftliche Beziehung ringt meiner Meinung nach nicht um die Vormachtstellung.
In der tiergestützten Arbeit versuchen wir vielfach, in freien Begegnungen die Tiere selbständig „arbeiten“ zu lassen. Wir zeigen Möglichkeiten auf und lassen die Beziehung wirken. Dies widerspricht meines Erachtens Erziehungsmethoden, die den Tieren einen engen Rahmen vorgeben. Vielmehr soll es um das Stützen einer Persönlichkeit gehen, um das Stärken des Selbstbewusstseins des Tieres. In der tiergestützten Arbeit brauchen wir souveräne Tiere und keine geduckten Befehlsempfänger.
Der Hund in der tiergestützten Intervention
In der tiergestützten Arbeit hat die Legitimierung von strafenden Maßnahmen und eine Ausrichtung auf Unterdrückung von Tieren nochmals eine andere Bedeutsamkeit, da wir damit den Klienten und Klientinnen unserer Interventionen eine grundlegende Haltung gegenüber anderen Lebewesen vorleben. In dieser Erfahrungswelt wird nicht unterschieden zwischen Mensch und Tier, sondern hier wird sich identifiziert mit diesem Gegenüber, sei es der Hund, das Pferd oder eine andere Tierart.
Als therapeutisch und/oder pädagogisch wirkende Erwachsene unserer Zeit streben wir auf der Basis eines humanistischen Weltbildes nach Menschlichkeit. Das bedeutet, dass wir im Gegenüber weniger die Schutzmechanismen, mehr den Wesenskern erreichen wollen. Genau das ist eines der Geschenke der tiergestützten Interventionen.
Vermitteln wir dominanzorientierte methodische Zugänge, so muss uns klar sein: wir arbeiten im Bereich der Schutzpanzer , dort wo sich das Herz gegen Nähe schützt und lieber auf Wirkmechanismen von Machtspielen zurückgreift. Die Macht des Stärkeren – das ist nicht, was wir vermitteln wollen. Sich öffnen für das Gegenüber, das Wesen des Tieres erkennen – darum soll es gehen. Wir wollen Vertrauen in sozialen Beziehungen möglich machen. „Eine positive Wirkung eines Tieres ergibt sich nur dann, wenn eine dauerhafte, intensive, positive und partnerschaftliche Beziehung zwischen (Säuge-)Tier und Bezugsperson vorliegt und für Klient/innen erfahrbar wird.“ (Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung in der Praxis tiergestützter Interventionen. Ein Leitfaden von Dr. Rainer Wohlfahrt und Prof. (em.) Dr. Erhard Olbrich. Wien, Zürich 2014). Eine positive partnerschaftliche Beziehung ringt meiner Meinung nach nicht um die Vormachtstellung.
In der tiergestützten Arbeit versuchen wir vielfach, in freien Begegnungen die Tiere selbständig „arbeiten“ zu lassen. Wir zeigen Möglichkeiten auf und lassen die Beziehung wirken. Dies widerspricht meines Erachtens Erziehungsmethoden, die den Tieren einen engen Rahmen vorgeben. Vielmehr soll es um das Stützen einer Persönlichkeit gehen, um das Stärken des Selbstbewusstseins des Tieres. In der tiergestützten Arbeit brauchen wir souveräne Tiere und keine geduckten Befehlsempfänger.
Die Anwendung von ‚positiver Bestrafung‘ lernpsychologisch betrachtet
In Situationen, in denen Dominanz unterstellt wird, wird meist das Mittel der Bestrafung gerechtfertigt, dieses als artspezifisch für Hunde dargestellt und auf die Mensch-Hundbeziehung übertragen: z.B. ein „Nackenstoß“, oder das Schleudern von Gegenständen, um eine Meidereaktion auszulösen. Wissenschaftlich definiert ist eine solche Strafe „positiv“- hier bedeutet ‚positiv’ nicht, dass es nett ist, sondern dass etwas hinzugefügt wird (Nackenstoß, Lärm, heftige Bewegung). Deshalb wird das umgangssprachliche „Bestrafen“ im wissenschaftlichen Sinne ‚Positives Bestrafen‘ genannt. Es kann auch etwas weggenommen werden (z.B. das Futter), dann spricht man von einer ‚negativen Strafe‘. Immer soll das gezeigte Verhalten durch die Bestrafung weniger werden.
Die Theorie der Bestrafung
Eine Bestrafung (Beispiel: ein Nackenstoß) muss möglichst beim ersten Auftreten der Verhaltensweise erfolgen. Die Strafe muss hart dosiert werden, sodass das Verhalten danach eingestellt wird. Die Strafe hat jedes Mal zu erfolgen, falls das Verhalten noch einmal gezeigt wird. Das Timing muss stimmen, d.h. die Strafe hat genau dann zu erfolgen, wenn das Verhalten gezeigt wird, also braucht es vorausschauende Fähigkeiten, gute Kenntnisse der Körpersprache des Tieres und viel Übung. Das bedeutet, man müsste sowohl Hundehalter/innen als auch Klient/Innen in der „Tiergestützten“ die entsprechenden Kenntnisse des durchgreifenden Strafens vermitteln, was undenkbar ist – man wird nur mit Menschen zu tun kriegen, die an der Erziehung des Hundes schädlich herumpfuschen (Lieber lehre ich diese Fertigkeiten für positive Verstärkungen).
Bei Bestrafung entsteht das Risiko, Angst und Unsicherheit auszulösen. Vertrauen in die Halter/innen geht bei diesen Aktionen verloren. Emotionen beeinflussen aber wiederum Lernprozesse und Verhalten sehr stark. Häufig sind die Emotionen die Ursache und das Verhalten ist das Symptom. So kann man nochmals überdenken, ob Einsatz von einschüchternden Maßnahmen hier wirklich zielführend sein kann.
Was Stress in Gehirn bewirkt
Vermuten wir Dominanz bei einem Hund, steht an ihm zu zeigen, wer hier Boss ist: Drohgesten, einschüchterndes menschliches Verhalten, oft in sogenannten „Spielen“. Im Fall von „Spielen“ möge man sorgfältig beachten, ob ein Spiel Einschüchterung, in die Schranken verweisen, beinhaltet. Oftmals macht für ein solches „Spiel“ das eine Ende der Leine die Regeln und das andere Ende der Leine (egal ob Pferd oder Hund) wirkt bei genauerer Betrachtung des Ausdrucksverhaltens und der Mimik gestresst. Stress bewirkt, dass das Gehirn nicht mehr in seiner gesamten Komplexität genutzt wird, sondern auf die ursprünglichen Hirnteile –Stammhirn und limbisches System- zurückgreift. Diese Hirnteile sorgen unter anderem für Schutz in lebensbedrohlichen Situationen und veranlassen den Organismus mit Flucht, Angriff (Erstarrung oder Herumalbern) zu reagieren. Teile des Großhirns, die Präfrontallappen, die für Denken und Lernen zuständig sind, werden unterdrückt. So reagiert man im Stress lediglich, anstatt bewusst zu agieren und zu lernen. Reaktive Hunde sind aber gefährlicher. Ist das Nervensystem in Aufruhr, so ist der Hund mehr damit beschäftigt, das eigene Überleben zu sichern, als nachzudenken (Das Gleiche gilt auch für uns Menschen: Wird uns gesagt, dass der Hund danach strebt, uns zu dominieren, werden auch wir „reaktiv“.).
Situative Einzelheiten, Örtlichkeit, Gerüche und viele andere Dinge in der Wahrnehmung des betroffenen Hundes können (fehl-)verknüpft werden, die vielleicht für uns Menschen nicht wahrnehmbar sind. Hunde, die in stressvollen Methoden „erzogen“ werden, können eine Gefahr darstellen, weil sie durch Aktivierung der Amygdala (Mandelkern, Teil des limbischen Systems) während der Ausbildung auch später zu reaktivem Verhalten neigen können.
Zusammengefasst bestätigt somit der heutige Stand der Wissenschaft, dass der Einsatz von Strafe nicht die effektivste, sondern eine veraltete überholte Methode ist. Und es muss die Frage gestellt werden: Wer gibt uns das Recht, einem anderen Individuum physisch oder psychisch Gewalt an zu tun, um es dem Menschen gefällig zu machen?
Entspannung statt Überforderung
Wir können in der tiergestützten Arbeit das Wissen um die neurophysiologischen Vorgänge in einem Organismus nutzen: Indem man die gesamte Vorgehensweise daran misst, was der Hund gerade leisten kann. Stresshormonausschüttung und eine Aktivierung des Sympathikus kann weitestgehend vermieden, das vegetative Nervensystem im Gleichgewicht belassen werden. Achtsamer körperlicher Kontakt und ruhige Phasen müssen einfließen. Eine Ausstrahlung von Ruhe und Souveränität können Hunde sehr gut annehmen und sich daran orientieren.
Der Mensch als Faktor
Aus Erfahrung, aber inzwischen auch aus Untersuchungen wissen wir, dass das Verhalten unserer Tiere sehr stark mit dem eigenen Verhalten in Zusammenhang steht. Der Halter/die Halterin ist ein ausschlaggebender Faktor. Studien des Heart-Math Institutes belegen, dass im Umkreis von 4m um ein Lebewesen die Herzkohärenz messbar ist und diese sofort einen beruhigenden Einfluss auf die Lebewesen in diesem Umfeld hat. Die herzenswarme Bindung zum Hund wird aber durch die Sorge um die Vormachtstellung geschwächt. Wenn ich mit Tiertrainer/innen arbeite, messe ich die Qualität der Arbeit oft daran, ob ich mein Tier anschließend mehr liebe – oder weniger.
Gibt es einen anderen Weg?
Nach meiner Erfahrung ist der Umgang miteinander sehr viel erfolgreicher und angenehmer für alle Beteiligten, wenn man zunächst das Vertrauen des Hundes gewinnt. Dies gelingt wunderbar in meinem Fachbereich der Tellington TTouch® Methode und in den Methoden positiven Hundetrainings. In diesen Methoden achten wir auf ein gutes Lernklima und darauf, Mensch und Tier dort abzuholen wo sie sind: d.h. den Zustand, in dem uns das Tier begegnet als gegeben zu nehmen und nicht als Ausdruck eines macht-heischenden Wesens, das ehrgeizig nach meiner Position strebt. Lerntempo und angewandte Techniken sind dem jeweiligen Individuum anzupassen. Futtergabe mit Unterstützung eines konditionierten Geräuschs, wie z.B. des Clickers, sorgt für eine Ausschüttung des Wohlfühlhormons Dopamin. Hiermit kann man gezielt ruhigere Phasen des Hundes punktgenau bestätigen und ihm zu mehr Sicherheit und Wohlgefühl verhelfen. Achtsam ausgewählte Techniken und Equipment bringen auch Nachhaltigkeit im Erfolg und einen zuverlässigen Mitarbeiter in der tiergestützten Intervention.
We can do it!
Meine Vision ist, wie auch durch das Zitat von Mahatma Gandhi zum Ausdruck gebracht, dass wir als Tierliebhaber/innen einen Weg der Liebe gehen. Wir sind mit unseren Tieren in der Lage, Wege zu beschreiten, die hohe ethische Ziele repräsentieren. Prinzipien von Achtsamkeit, Gewaltfreiheit, und Respekt gegenüber sich selbst und Anderen können umgesetzt und reell gelebt werden, sie funktionieren! Sie sind in der Interaktion mit dem Tier belastbar und gewinnbringend für beide Beteiligten.
Als Pädagoge/innen und Therapeut/innen suchen wir Wege der Achtsamkeit und schulen uns im Verzicht auf die Möglichkeiten, Macht, Gewalt und Unterdrückung in der Interaktion mit Klient/innen einzusetzen. Dabei stellen wir uns der Herausforderung, Grenzen zu kommunizieren und Achtsamkeit ebenso einzufordern wie zu leben. Die Tiere sind für unsere Menschengesellschaft unter Anderem da, damit wir die neuen Wege des Miteinander suchen, anwenden, üben und verstehen– und machen uns den nötigen Mut: We can do it! Ich kenne so viele Tiere, die unter konsequentem Verzicht auf unterdrückende Maßnahmen seitens der menschlichen Begleiter wunderbare Begleiter und „Mitarbeiter“ sind, wohlerzogene und angenehme Weggefährten. Zugegebenermaßen bedarf es Können und Erfahrung, um mit positiven unterstützenden Maßnahmen das Potential (insbesondere schwieriger) Tiere zu fördern und zu unterstützen. Allerdings müsste das Unterdrücken und Strafen ebenso sorgfältig gelernt werden. Dies fördert Seiten in uns, die weniger schön zu leben sind, nämlich eher rachsüchtige Empfindungen, als die Liebe zu unseren Tieren.
Bibi Degn, Pädagogin, ursprünglich aus Österreich, lebt im Raum Siegburg/Bonn mit Mann und ihren Tieren: Vier arabische Pferde und ein Hund – „Tiponi“, ein Silken Windsprite. Ihre drei Kinder sind erwachsen.
Die Instruktorin der Tellington TTouch Methode bildet aus, leitet die Tellington Ausbildung in Deutschland für Hunde sowie für Pferde und unterrichtet Seminare und Ausbildungen in Europa.
Als Gründungsmitglied und Ausbildungsbeauftragte des Vereins Animal Ambassadors e.V. organisiert sie ein eineinhalbjähriges Programm der Tiergestützten Arbeit mit Pferden, u.a. auf Basis der Tellington Methode und anderer positiver Methoden zur tiergestützten Arbeit.
Bibi Degn ist Mitglied im Berufsverband Tiergestützte Therapie, Pädagogik und Fördermaßnahmen e.V. sowie Präsidiumsmitglied des DHVE e.V., dem Dachverband für Haustierverhaltensberatung Europa.